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25.07. Lidy und ich sitzen im Garten der Offiziersmesse. Sie kommt mit. Ich schreibe und probiere den Aufprall, das durch die Luft Fliegen und Niederkommen zu zeichnen. Der Gefangenenwärter schüttelt den Kopf, lacht. Schreiben ist für ihn komisch. Er kann nicht schreiben. Die Jungen, die er bewacht, behandelt er wie Sklaven. Gegen 10 Uhr kommt der Krankenwagen. Vor mir hockt ein Huhn. Bekennt sich der Chauffeur inzwischen schuldig, geht es schnell, wenn nicht, kann es sich Stunden, Tage hinziehen. (Henris Führerscheinpapiere nicht vergessen.) Der Fahrer rast wie ein Irrer. Der freundliche Offizier spricht noch einmal mit mir. Und noch einer. Und noch einer. "Wer ist Ihres Erachtens schuldig, Sie, die Situation, der Chauffeur, die Gruppe oder die Polizei?" "Der Chauffeur." Ich weise jeden der Offiziere darauf, dass ich gekommen bin meine Pflicht im Namen der Gerechtigkeit zu erfüllen, wie gebeten. "Ich stelle keine Forderungen an den Chauffeur. Ich lebe, bin nicht ernsthaft verletzt. Das ist ein Wunder. Da ich lebe, ist er kein Mörder, auch das ist ein Wunder. Aber er muss seine Fahrlässigkeit gestehen. Dann möchte ich ihm die Hand geben." Wir haben einen gemeinsamen Punkt, ob er sich schuldig bekennt oder nicht. Jemand in Handschellen. Auf einmal ist Chris da. Er hatte etwas in Voi zu tun, sieht uns irgendwo vorbeifahren, ist misstrauisch. Der Chauffeur bekennt sich schuldig. Die Busse beträgt 3500 Schillinge. Er fühlt es also. Sein Clan hilft ihm. Es gibt kein Gerichtsverfahren gegen ihn. Die Offiziere sind erleichtert, danken mir für die Mitarbeit. Im Gerichtssaal stehen Tonnen, liegen Autoreifen. Im umgekehrten Fall hätte ich endlos blechen müssen. Unter aller Augen gehen der Chauffeur und ich auf einander zu - ich entferne mich dabei weiter von Lidy und Chris, als er sich von seinem Beistand, und das ist ein ganzer Haufe -, wir reichen uns die Hand. Mit meiner Linken berühre ich sein Gesicht, seinen Hals. Sekunden, die eine Ewigkeit sind, stehen wir Auge in Auge. Mit dem Krankenwagen zum Bahnhof von Kenani. Neben dem Fahrer nimmt noch ein Polizist Platz, hinten sitzen Lidy und ich und noch vier bewaffnete Polizisten, unsere Eskorte für die nächsten vierundzwanzig Stunden. Ein Affe hockt am Strassenrand. Die Sonne steht schier orange in klarem Blau. In die Ränder des Fahrdamms ist regelrecht rein gebissen. Kenani Railway Station
Ganz hinten, auf der Bankette, schleppte sich der wuchtige George an zwei Stöcken, Die Polizisten am Kopf stoppten den Bus. Theo schläft links, Jan rechts von mir. Wieder rasen die Züge nahezu durch uns hindurch. Josephina bekommt keine Kinder. Ihr Mann schickt sie zurück zu ihrer Familie. Wertlose Frau! Sie geht zur Gruppe von Hans. Das Land für Hans' Projekt ist von ihrem Vater. Maritas Mann stirbt nach drei Kindern. Gemäss der Sitte untersteht sie von da an der Obhut ihres Schwagers. Sie weigert sich. Geht zur Gruppe von Hans. Sie ist Krankenschwester. Ihr ältester Sohn studierte in Amerika, sollte, wollte Priester werden, studiert jetzt Philosophie in Nairobi. Zweimal sehe ich mein eigenes Gesicht vor mir, es ist noch nicht bei mir; das meiner Mutter, meines Bruders. An einer Tankstelle hört Fons, dass ein Mitglied einer Pilgergruppe im Tsawopark von einem Löwen gefressen worden sei. Mtito Andei Morgen will ich eine Stunde mitlaufen. Theo liest ein indisches Papier über Religionen, meditiert, hat Durchfall, ist hoch empfänglich für menschliche Ausstrahlung. Polizisten und Ranger verlassen uns. Kambu Als vergässen sie alles sofort wieder, als funktioniere ihr Kurzzeitgedächtnis nicht, oder anders. Am nächsten Morgen müssen sie mit allem wieder von vorn anfangen. Eine Mauer der Abwehr? Ist das Fassungsvermögen der innerleiblichen Scheunen erreicht? Ihre ausserleiblichen Scheunen sind noch jung. Es muss sich irgendwo festsetzen, sie können ja auch Streitigkeiten jederzeit wieder aufrufen. Luke von den Philippinen, Chirurg, Nonne, und Cathy, die mit ihr zusammenarbeitet, treffen ein. Sie begleiten uns bis Nairobi. Luke leitet in den Elendsvierteln Nairobis ein Vorbeugeprogramm für Frauen. Sie ist schön, trägt weder Haube noch Schleier. Henri verabschiedet sich. Nach Kibwezi Wir schlafen in der Kirche. Überall liegen Mauseköttel. Die meisten hinter dem Altar. Entweder ist schon jahrelang nicht mehr gefegt worden oder es handelt sich um ganze Horden Mäuse. A verdrischt regelmässig seine Frau. Das letzte Mal musste sie für zwei Tage ins Krankenhaus. "Gott ist mit uns, Sabina", sagt er. Meine Seifendose ist gesprungen. Nach Makindu Erst wuchs der Baum um den Fels, verleibte sich ein Stück davon ein, löste es dabei aus der Gesamtmasse. Das Einverleibte fiel aus ihm heraus. Eine Frau steht am Wegrand, ist weg, ist mit dem Nötigsten wieder da, kommt mit, auf blossen Füssen, trägt das Kreuz. Rudel von Kindern rennen uns entgegen, laufen mit uns mit. Hosen und Hemden vollkommen zerlöchert. Wir schlafen in einem neuen Haus des Ordens. Um die Sauberkeit der Räume ist es gleich wieder geschehen. Die Erde hier ist tiefrot und locker. Mit Theo in den Ort. Ich finde eine kleine Taschenlampe, meine ist hinüber, aber keine Binsenmatte. Ich will eine Binsenmatte, will mein nächtliches Territorium etwas vergrössern. Die Tresen der Geschäfte sind zum Kunden hin vergittert. Wie bei uns Video-Kameras bewachen hier oben auf den Regalen liegende junge Männer die Läden. "Haben die wilden Tiere einen von euch gerissen?" "Bist du nicht in der verkehrten Baracke", fragt Cathy. "Nein, du gehst von verkehrten Vorstellungen aus." Cathy ist Laienschwester. Luke schläft in ihrem Auto. An der Fernstrasse steht ein Sikh-Tempel. Reisende können da kostenlos essen und schlafen. Das Gelände strahlt Ruhe aus, ist sauber. Als wir nach dem Abendessen gehen, begrüsst uns ein alter Inder, schenkt Fons und mir eine Papaya. Nach Simba Empfang auf der Strasse, Massai. Sie nehmen uns gleich wieder das Gepäck ab. Ich weigere mich. Der Rucksack hat mir das Leben gerettet. Ich kann nicht mein Leben lang mit diesem Rucksack auf dem Rücken laufen, nur weil er, so wie er gepackt war und eins mit meinem Leib, im günstigsten Winkel gerammt... Manche laufen, als hätten sie Gummiglieder. Die Klassenräume liegen voller Köttel. "Papayakerne." "Riesenmauseköttel." Aus den grossen uralten Köpfen auf meinem Papier kommen kleinere. "Ich will Reis", sagt das Kind. Fledermäuse, im Gebälk genau über uns, scheissen und pinkeln auf unsere Sachen. Jan und Charles und ich ziehen in den Essraum. Mit Luke und Cathy zum 'Hunters Lodge'. Wir setzten uns unter den Marabubaum, der so heisst, weil Marabus in ihm nisten. Nach Mbitini Es gibt reichlich Wasser. Von auch kaltem Fanatismus sprechen die Gesichtszüge der Koreanerin, die seit gestern bei uns ist, auch sie ist Laienschwester. Um 17 Uhr Messe. Die Priester sprechen den Gläubigen zu, wie schwach begabten unmündigen Brüdern und Schwestern. Mädchen tanzen vor dem Altar. Unter jeder wahrhaften Ausbildung, jedem wahrhaften Lesen, kann die Schicht Christentum hier einbrechen, an jeder Kreuzung durch stärkere Allmacht, gekoppelt an Angstherrschaft, zu Lebzeit nie erreichbaren Himmeln und einem extra Stück Brot, sei es für Leib oder Seele, abgelöst werden. Wein, ich habe Wein besorgen lassen, Essen. Nach Karikeu Nach Kilungo Die Betten knarren und quietschen bei der geringsten Bewegung, hängen durch. Felicitas hustet. Auch sprächen sie Bass, wer sie hört, weiss, dass da Frauen unter sich sind. Spät dann kommen die, die uns morgen führen, suchen ein Bett. Die Schatten der Bettgestelle, der Körper, die Geräusche... wie Theater. Nach Kola Den ganzen Tag keine Stille. ...Unsere Horde zieht durch das Landesinnere, abseits des Mordweges Mombasa/Nairobi, hält gut zusammen, hat unter diesen Umständen auch keine andere Wahl. Ein Kreuz wird von Station zu Station getragen. Manchmal laufen Führer vom Ort mit: Abkürzungen und Vermeidung der Fernstrasse. Es geht mir gut, und heute, wo ihr in Amerika landet, schreibe ich euch von ein paar Tagen, die für mich anders verliefen als für die Gruppe. Am sechsten Lauftag, von Voi bis zum Gefängnis in Manyani - wir liefen unter Polizeieskorte - rammte mich ein Linienbus; ich flog hoch in die Luft und landete auf dem Boden. Bis auf eine winzige Muskelprellung bei der rechten Hüfte, eine winzige Muskel- oder Sehnenzerrung bei den rechten Rippen und eine minimalen Schürfwunde am Kinn ist mir nichts geschehen. Nicht einmal meine Hose ist kaputt. Nennt es ein Wunder oder die Arbeit eines ganzen Heeres von Schutzengeln. Keine rückwirkende Utopie über alles, was hätte geschehen können, ändert etwas daran.Nach Machakos 04.08. Ca. 30 km. Im Morgengrauen die Fünferformation der schwarzen Ibisse. Eine Windhose wirbelt rechts von uns Maisblätter hoch, vor unsere Füsse, erliegt auf dem Feld links. Schwerer Sand. Seit wir unterwegs sind, sind hier die ersten WC's, die ersten warmen Duschen. Charles weicht nicht mehr von meiner Seite. Morgen gut 40 km. Wir werden uns danach zusammenharken müssen. Die Voraussicht auf einen ganzen Ruhetag, macht viel gut und wirft seine Schatten voraus, der Leib hält sich weniger straff in Zaum, wird nachsichtiger mit sich. Patricks Frau stirbt in der Woche bevor er sich für diesen Marsch nach Mombasa aufmacht. In der Nacht, die Bierpisserkarawane zum Klo. Nach Athi River Es gibt kaum Wasser. Mädchen tanzen für uns. Sie binden sich dazu alle möglichen Tücher um die Hüften. Um 7 Uhr Messe. Wieselartige Tiere huschen, hauchen vorbei. Schädel von grossen Tieren. Zugameisen. Patricks Frau ist wahrscheinlich an AIDS gestorben. Alle Frauen seines Umfeldes, die für ihn in Frage kämen, seien HIV positiv. Nach Nairobi Kommst du über diese Strasse ins Zentrum, siehst du keine Armut. Ein junger Massai mit einer Rinderherde sorgt für einen Hauch Folklore, auch wenn es für ihn keine ist. Zur Kathedrale. Eine Kolping-Gesellschaft aus der Nähe von Münster. Suppe im kleinen Park seitlich der Kathedrale. Drei Stunden warten auf den Bischof, der nicht kommt; Hans will das Warten nicht aufgeben. Das Klo, für x Schillinge pro Benutzung, spottet jeder Beschreibung. Eine Andacht, nur für uns, ohne Bischof. Wir schlafen in einer Schule. Müssen auf die Zimmerschlüssel warten. Müssen waschen. Mit Luke, einer anderen Mitarbeiterin von ihr und der Koreanerin gehe ich abends in ein gepflegtes China-Restaurant. In der Tiefgarage des Zentrums stehen bewaffnete Uniformierte. 07.08. Wir essen im Haus des ersten Sekretärs der Niederländischen Botschaft. Ich ziehe die neue Hose an, die Afrikaner machen sich fein: Fliege, Sakko, Hut. Wo sie das alles herzaubern! Die Niederlande mitten in Afrika! Dann ist halbwegs der Schlange das Fleisch nahezu alle. Von jetzt an begleitet uns Wim. Wim ist Holländer. Er ist Zeichenlehrer in einer Schule unweit Kisumus, seine Frau ist da Ärztin. |