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karneval/2


im Kreise, im
Kreise.

ich liebe dich.

was tust du?
was verkaufst du?
was tust du?
ich liebe dich.
was tust du?
was tust du?
was tust du?
ich schlachte Kadaver aus.
ich schneide sie auf.
reisse Letztes zum
Leben aus toten Bäuchen heraus.
meine wulstige Zunge leckt die begeiferten Lippen.

meine sehr verehrten Damen und Herren! mancher Bauch ist noch warm.
meine

Linke hält dir die Hand, meine
Rechte grabscht in dein klaffendes Loch, meine
Linke hält dir die Hand... diese

Schenkel! dieser
Hintern! meine Blicke gelten nicht dir.
gelten nicht dir!

meine sehr verehrten Damen und Herren! mancher
Kadaver schreit auf.

Zähne setzen sich in das Fleisch. Zähne
zerren,
reissen

noch ein Stück,
noch ein Stück.
kehliges Knurren,
Grunzen,
Schmatzen. der
Speichel trieft.

das blutende
Fleisch! der rote
Saft
rinnt mir aus den Winkeln des Mundes,
rinnt über das weisse Kinn. ich reisse das Fleisch ab, bis auf die
Knochen. mit der Zunge, den Fingern polke ich die
Zattern aus den Spalten zwischen meinen Backenzähnen heraus.
lecke mir die
Finger ab, beide
Hände, die
Lippen! mit grossen Schlucken Wein spüle ich nach. Riesenschlucke.
schmerzhafte Schlucke. die
Augen quellen mir aus den Höhlen. das Glas ist fett- und
blutverschmiert. es stösst mir auf.

Fressen! nur
Fressen!

dies ist mein
Fleisch!
greift zu!
fresst! der Leichenschmaus ist ge-
richtet.

unsere aufgeschlitzten Leiber. die
Zeit ist zu kurz um zum Leben zu kommen. zuviel
Tod ward den Leibern auferlegt. wir sollten überdauern.

herzzerreissendes sinnloses Treiben. und zu Tausenden
erheben wir uns,
verlassen die sicheren Schlachtbänke. in
Paaren. in Gruppen. allein. stehen Schlange um uns Mut anzutrinken -
nur so. formen
Bruderschaften, Verbände,
tragen Wimpel und Fahnen: die Uniform.
Kadaver heftet sich an
Kadaver, Polonaise reiht sich an Polonaise: ganze Prozessionen
voller Fratzen und trunkener
Ausgelassenheit.

Schnulzen!
Schnulzen! wir stampfen das angetrunkene Feucht...
Schnulzen!
Schnulzen! wir stampfen das angetrunkene Feucht
aus unseren Leibern heraus!

 

du stehst nur und trinkst, hältst dich fest am Glas.
du läufst nur immer
alleine,
umkreist die makabre Szene

wackelnde
Hüften,
Schleudernde
Arme,
Wogen,
Schwingen,
Schlangenbewegungen,
Springen,
Übereinanderfallen... das
Kreischen,

Hände!
Fäuste! schlägst bei jedem vollen Mass das Tamburin gegen den schüttelnden
Schädel.
Schädel!

Dienstag nach Mitternacht kehren wir zurück auf unsere Bänke.
Mittwoch ist Gehacktestag!

im nächsten Jahr kommen wir wieder!

du erhebst Hand gegen den Schlachter, stürzt dich auf ihn.
du kehrst nicht zurück.

ein elegantes Stück Fleisch, Gnädigste?

 

Hand in Hand gehen wir hinaus an den grossen Fluss. unsere
Leiber schreien auf. unsere
Zeit ist nur kurz.
aufgerissen, schreiend ohne Laut schmiegen wir aneinander. spüren die
Kälte nicht, empfangen einander
Glut. schauen, wunde
Stille, in die
Nacht. dumpfes
Rauschen,
der grosse
Fluss. sein breites Band ist nicht wirklich zu sehen.
ab und zu spiegelt seine Oberfläche Sterne wider. zurück in den grellen
Lärm, Hand in Hand noch. ein jeder für sich. die
Nacht greift über auf den
Tag.

 

Blumen bringst du.
für mein Grab,
für das Loch, das alles
ausmergelnde, dauernd
verzehrende - ohne Laute, ohne Zeichen - unfassbare
Leere: Schwarz: schöne Blumen! ganze Sträusse!
ich will keine Blumen für mein Grab.

ohne Haut bin ich geboren.
mit Tüchern umwandest du den rohen Leib.
ich dachte, es sei meine Haut, von mir.
wollte so leben,
wollte so lieben, habe es nicht geschafft. alles
war schon gewesen.
unerbittlich.

trockener Mund, die verkarsteten Lippen. es gab keinen
Abschied. das Tropfen in mir?
nichts, es ist nichts, sagtest du. mein

Atem ist bitter. der Schrei

erstickt. das Feucht
verklumpt in meinem Fleisch, harsch
schliesst sich das Tuch,
schnürt die Glieder.

dass Tuch nur Tuch ist, entdeckte ich spät.
alles war wie es
war. die kalten

Nächte. die dumpfen
Schläge.
Füsse, scheu noch,

stampfen die Erde:
blutige Kelter, tränken die Öde mit
Glut.

erstarrte Gesichter.
grausame Stille. die
Trommel!

tanze fiebriger Leib,
tanze,

reisse das Tuch herunter,
reisse es mir ab!

Fleischfetzen,
Blut,
Schweiss kleben an dir. verkrustet, braun.

deine letzten Fetzen schwemmen hinweg.
Wasser rinnt aus meinen Augen.

 

Strassen, Strassen, lärmende Gesichter.
Strassen, Strassen... Tuch wirft sich auf, zwischen die
Gesichter und mich,
auf den offenen Leib. ich tanze den Tanz

zwischen dem weissen Tuch und dem ungreifbaren Stummen, dem
Schwarz. das weisse Tuch fordert mein
Rot. und da ist das
Schwarz. es gibt keine Antwort. lässt mich
Schreie gebären, frisst sie auf, noch bevor sie geboren,
lässt zu Greisen mich stempeln im Mutterschoss! von toten
Schreien entstellte Gesichter, grausam geweitete
Augen.

was tust du mit meinem Schrei, meiner Gebärde?
was tun sie dir an?

schwarze einzige Saat,
trage ich dich in mir: weisses Grabmal, gnadenloser Stein. gebunden
liege ich, sehe die
Brüste, die zerriebenen
Lippen.
Rippen ragen aus frischem Rot. das
Tuch saugt sich voll des heissen Rots,
umschlingt.

(die klopfende Kehle halte ich dir hin: beiss zu! beiss nicht zu!)

nein!

Heere von Körpern, verrammelte Türen. ersterbende
Schreie.

wölbt die Brüste!
presst die Lippen aufeinander!
spreizt die Schlitze!
grinst dieses Grinsen an der Grenze zum Heulen!
verankert die Münder! eure
Hände, eure
Arme:
Stümpfe an aufgeblasener Front. die formlose
Masse presst ihr nach vorn. sie
erkaltet. ihr könnt nicht mehr atmen. atmetet ihr
aus, die erstarrte Masse zerbröckelte - der Sog.
Scherben toter Materie, müsstet ihr euch in eurer ausgeleierten
Haut herumschleppen.

tanzt! glühende Klumpen, tropft ihr aus euren Gliedern, euren Gesichtern,
Aschefetzen, flattert ihr, durch die Hitze gehoben, tragt bis zum endgültigen
Verfall eure Prägung.
zwischen meinen Fingern zerreibe ich euch. in den Fenstern die
Glut.

weiss hängen die Aschegardinen.
weg sind sie. die
Schreie der Verschonten bleiben verschlossen.

Schwaden bitteren, beissenden Atems steigen rachsüchtig empor aus
Trümmerschluchten, verbinden der Masse, ätzen die Haut, sondern tief aus.

(meine Schlösser, meine gewaltigen
Schlösser: flimmernde, sich auftürmende
Luft, über heisser, noch schwelender
Schlacke, meine Schlacke,
Aschefetzen. wenn die Schlacke erkaltet ist, ist
nichts mehr davon da; ein paar Narben.)

raffe dich auf, verlasse die grausame Stätte.
errichte Male in sicherem Abstand.
lege Kränze!
knie nieder!
feiere die Feste!
tanze die Tänze!
singe die Lieder!
wasche die Hände in Unschuld! die

Asche zwischen meinen Fingern, das
klebrige Rot auf zerrissenen Leibern, die zusammengeschmolzenen
Glieder.

das
Würgen. (meine

 

Stirn,
Nase,
Augenbrauen,
Wangen,
Lippen...)

 

Amsterdam 1986/Berlin 1993

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