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DER HUND

© Sabine Vess

Überall Hunde.
Es gibt hier auch rosa Häuser und gelbe. Sie blättern ab. Alles hier blättert ab.
Die Sonne laugt die Farben aus, Menschen, Tiere, das Gras.
In dunklen Türöffnungen stehen schwarze Klumpen mit Hut. Frauenklumpen.
Die Hunde laufen über das Land, schnurgerade über das Land.
Maulesel trotten im Kreis. Sind an Balken geschirrt. Tragen Decken über den Rücken. Scheuklappen.

Das Auf und ab des Meeres. Benommen, weit weg, lassen wir Sand durch die Hände rieseln.
Kommt der Hund, dunkel über den flimmernden Sand in flimmernder Helle. Steht zwischen uns still. Die hechelnde Zunge, die Lefzen sind gelblich verkrustet. Hau ab!
Wir nehmen den Hundekopf in die Hände, drehen ihn in die Richtung, aus der der Hund kam. Sein Gesicht ist voller nässender Wunden. Die Augen sind taub, verklebt. Er knickt ein. Wir drücken ihm den Hintern hoch, schieben. Er richtet sich auf. Strekt gähnend die Glieder. Auch der Körper ist voller Wunden.
Im nächsten Sandhaufen suhlt er sich.

In den Gassen stauen sich Hitze und Menschen. Auf der Allee ist es besser.
Mir hart auf den Fersen hechelt der Hund. Wühlt mir seine Schnauze zwischen die Beine. Ich drehe mich um. Stocksteif stehen wir, die Köpfe in die Nacken geworfen, einander gegenüber. In seinem Rachen der Wulst der Zunge. Der gelbliche Schaum. Ich hole zum Schlag aus, trete. Eine Frau zerrt ihn weg. Sie ist in Schwarz, noch nicht alt.
Auf dem Grünstreifen, der die Fahrdämme trennt, im Schatten alter Platanen schlendern wir zwischen Kaffee und Wein und Bier trinkenden Männern hindurch weiter. Alten Männern mit schwarzen Hüten. Stöcken zwischen den Schenkeln. Die Hosen sind ausgebeult, verschlissen, von einem Grau, das einmal schwarz war. Die Hände runzlig, aufgedunsen, steif. Einer hebt den Kopf. Das Gehechel! Ich hetze durch diese Alten, ihren schweren Atem. Entschuldigen Sie. Verzeihung. Verzeihung. Der Fahrdamm. All die Autos. Ich schaffe es. Der Hund nicht.

Jäh herrscht Dunkel. Wir schlendern noch um den Platz. In den äussersten Lichtkreis einer Strassenlaterne ragen Glieder aus dürrem Gestrüpp. Der Brustkasten hebt und senkt sich nicht. In der offenen Schnauze, über die Augäpfel krabbeln Fliegen.

1982, 1/2002 IGdA-aktuell, letzte Korrektur 2017

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