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tagsüber brennt die sonne

© Sabine Vess

die sonne lockt, spuckt
feuer. wasser bäumen sich auf.
überall orange streifen,

schatten von streifen.

wir errichten städte nach unserem ebenbild, gepanzerte riesenkarkasse, die nicht
kämpfen können, trotz drohgebärden; brandsicher, allen fluten gewachsen. irgendwann
kommen irgendwelche wesen, nach dem feuer, dem wasser, sehen uns
mächtig und
gross.

wie ist die versorgung in den karkassen geregelt?
niemand überlebt.

wie viele kommen dem ruf sich in diese sicheren
ebenbilder zu begeben nicht nach?

verfallende festungen hoch in den felswänden. immer entdecke ich neues
gemäuer. tagsüber brennt die sonne, fegt
hitze und staub durchs tal, gegen abend regen. nachts herrscht
kälte. hier heizt man nicht.

rotes geschwollenes
zahnfleisch, die zähne sind raus, nasen
zerfressen.

was ist in den tonnen.
alkohol.
purer alkohol?
ja.
was tun die leute damit?
trinken.
sie schauen gebeugten hauptes,
lächeln,
wenden die augen ab, reissen die brauen hoch.
ihre rücken sind gewölbt. sie haben kaum
hälse.
ächzen, stöhnen,
ersticken nahezu in husten.
frauen, die geschlagen werden,
wollen geschlagen werden, sagt sie. es sei komplizierter, sage ich ihr.

nein, sagt sie, frauen, die geschlagen werden, wollen geschlagen werden.

menschen steigen aus bussen, rauf auf die ruinen, runter und wieder in die busse.

menschen stürzen sich auf menschen,
drängen ihnen puppen auf.
menschen schauen menschen nicht an, sagen nichts.

kein schatten, kein
schutz vor dem heissen wind.

paradeschritt!
paradeschritt! müde vom
paradeschritt schläft sie am rande des geschehens. die
sonne prallt ihr aufs gesicht. der bruder legt ihr das haar darüber.
sonne verbrennt auch kinderwangen.

manchmal huscht da ein
schatten, der nirgends hinzuzugehören scheint, zu
nichts aus der direkten umgebung.

papageie hacken auf
köpfe,
hände,
füsse ein.

frauen kippen männern, frauen, sich, bier in die rachen.
gestampfe erschüttert die leiber. der
zerhackte zerhackende rhythmus
rennt ihnen davon.

links, über schmale pfade,
stromaufwärts, zurück.
kaktusblüten krallen sich in meine stiefel. ich entferne sie mit einem stein. sie
krallen sich in meine finger. ich entferne sie mit einem stein, sauge das
blut heraus. der schmerz verebbt.
stacheln stecken in meinen stiefeln. fleischliche
stacheln, die sich endlich, erschlafft, herausziehen lassen.
die ruinen, der bahnhof, die
stadt.

da steht der schamane, bietet kekse und brötchen an. heute sind sie rund.

woher kommst du, fragt mich der junge.

da ist keine brücke.
da ist keine brücke.
da ist keine brücke.

sie essen,
trinken,
lachen mit ihren toten,
tanzen für sie.

unter dunkler haut glühen die
verbrennungen.

niemand hatte es gemerkt. wir leuchteten aus uns heraus. die sonne blieb schwarz. wir hatten die sonne leer gesaugt. niemand wusste, wie es hatte geschehen können. dass wir sie aufgesaugt hatten, bedeutete nicht, dass wir nun sonnen waren oder der sonne platz einnehmen konnten. wir hatten nur ihre glut verschlungen, aber nicht den mechanismus selbst glut erzeugen zu können. und da wir sie leer gesaugt hatten, hatten wir die sonne der möglichkeit beraubt weiterhin glut erzeugen zu können, denn um den mechanismus in gang halten zu können, bedarf sie funken eigener glut. nur mit der glut, aber ohne den mechanismus, kann nichts in gang gesetzt werden. ein zurück gab, gibt es nicht, denn da niemand wusste, weiss, wie es hatte geschehen können, gab, gibt es auch keinen sicheren weg zu diesem wissen.
sonnen tun, solange sie tun, dann ist es aus, sie wissen es nicht.
als wir das begriffen fingen wir an zu wehklagen.

sekten stehen auf: wir kennen das gehirn der sonne.
sekten stehen auf: wir sind der fels in der brandung.
sekten stehen auf: wir sind der weg, die wahrheit, das leben.

rasende chauffeure,
touristen,
fliegende händler,
bettler,
wimmernde frauen am boden. es giesst.

berge abscheulicher
keramik, auf bergen
stickereien, gehäkelten
decken,
puppen.
benzin schwängert die luft.

der dicke reisst muster in die serviette, nimmt einen fetzen, wischt sich die stirn damit ab.

man hat dem jungen ein auge ausgeschlagen. seine linke hand bleibt
verkrüppelt.

sie legt ihre kleine fleischige hand auf seinen schenkel.

gemästet wie tiere vor nahender kältestarre, wie
schlachtvieh schaukeln sie durch die strassen.

fett absaugen.
facelifting.
versicherungen.
reisen nach....

tutus über zerrissenen hosen.
trommeln.
messerschnitte in gesichtern und armen.

die hände der frau sind verbrannt.

sie sei noch zum zum hotel gekommen, schrieb sie mir,
sei noch zum flughafen
gekommen. ja, man habe mich gesehen.
ich sei früh gekommen, habe mich bald von zwei erwachsenen mit kind verabschiedet,
sei durch die kontrolle
gegangen.

wir begeben uns zu etwas. das ist aber nicht.
wollen wissen, wohin es geht, festlegen, wo wir waren.

schon einmal tot, lebe ich ohne bindung.

ich lege mich auf die strasse in den regen.

es bedarf noch ungekannter grammatik.

aus meinen herbstnotizen 2004

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